Wetzlar (bkl). Neue Gottesdienstformen, Kindergottesdienst und Arbeit mit Kindern, Digitale Kirche, was die Menschen in den Gemeinden bewegt und was in den Presbyterien gebraucht wird – das waren die Themen der Frühjahrssynode des Evangelischen Kirchenkreises an Lahn und Dill nach zwei Jahren Pandemie. „Die Erneuerung der Kirche hat nicht nur eine organisatorische Seite, sondern auch eine inhaltliche. Darüber wollen wir miteinander ins Gespräch kommen und die Gemeinden stärken und ermutigen “, beschrieb Superintendent Dr. Hartmut Sitzler das Ziel der Tagung, die mit 99 Delegierten als Videokonferenz stattfand. Angesichts des Krieges in der Ukraine zündete Sitzler vor der Synode eine Kerze als Friedenslicht an.
Um Anregungen aus einem anderen Kirchenkreis aufzunehmen, war Senior Dr. Matthias Rein aus dem Partnerkirchenkreis Erfurt als Referent zugeschaltet.
“Besonnen und nüchtern, getrost und unverzagt”, so sollen die Gemeinden nach der Vorstellung von Rein, Vorsitzender des Kreiskirchenrates Erfurt, in den Neustart nach der Pandemie gehen. In der Region Erfurt seien viele Kirchen während des Lockdowns offen geblieben, doch die Angst vor dem Coronavirus hätte viele abgehalten, an den Gottesdiensten teilzunehmen. “Wir haben in erstaunlicher Geschwindigkeit gelernt, neue Formate für Gottesdienste, Gesprächskreise, Seelsorge und Gremienarbeit zu entwickeln”, sagte Rein. “Aber sich live zu begegnen, ist unersetzbar.” Und er fragte, was wichtiger sei: “Der möglichst sichere Schutz vor Ansteckung oder die Zuwendung zu Menschen, die Hilfe brauchen?” Zudem sprach er das große Engagement der Mitarbeitenden im Verkündigungsdienst an wie auch deren Erschöpfung. Angesichts der seit der Pandemie gesunkenen Zahl von Gottesdienstteilnehmenden und Taufen sowie des Rückgangs der Kirchenmusik plädierte der Theologe für kürzere und kleinere Formate sowie für gezielte Einladungen. Für die Zukunft empfahl Rein, die Gemeindearbeit Schritt für Schritt zu entfalten, die digitale Kompetenz auszubauen, mit Behörden gut zu kooperieren, die Seelsorge zu stärken und eine “lebendige und ausstrahlende Gemeinschaft im Geiste Jesu” zu entwickeln. Auf die Frage, wie Kirche darauf reagieren kann, dass für viele Menschen der Wert des Glaubens verloren gegangen ist, nannte Rein als Beispiel den Kirchenpavillon auf der Bundesgartenschau in Erfurt: “Was wir da als Kirche zum Thema ‘Bewahrung der Schöpfung’ gesagt haben, konnten viele Menschen positiv wahrnehmen. Es gab zahlreiche gute Gespräche.”
Mit dem Thema „Digitale Kirche“ befasste sich die Gesprächsgruppe, die Gemeindemitarbeiter Tobias Bürgel aus der Kirchengemeinde Kölschhausen, auch wissenschaftlicher Mitarbeiter für Controlling und Digitalisierung in Siegen, moderierte. Ein hochmotiviertes Team hätte in der Anfangszeit der Pandemie ein digitales Gottesdienstangebot entwickelt, berichtete er. Neue Mitarbeitende hätten so für die Kirche gewonnen werden können. Zudem sei das Angebot für Jugendliche „SKYCHURCH“ entstanden, bei dem Menschen zu einem aktuellen Thema Stellung beziehen und über ihren Glauben sprechen. Weiterhin werden Präsenzgottesdienste aus der Kirche Kölschhausen live gestreamt und regelmäßig von mehr als 100 Menschen, auch aus der pfarramtlich verbundenen Kirchengemeinde Ehringshausen-Dillheim, digital wahrgenommen. „Es gibt Formate digitaler Seelsorge, die auch Ältere gut nutzen können“, so Krankenhausseelsorger Hans-Dieter Dörr. „Ich freue mich, wenn ich sehe, wie Enkel ihren Großeltern die Bedienung des Smartphones erklären.“
Die Frage, was Menschen motiviert, in der Kirche mitzuarbeiten, aber auch, was sie frustriert oder daran hindert, stand im Mittelpunkt der von den Pfarrern Michael Perko (Burgsolms) und Sven Seuthe (Braunfels) geleiteten Gruppe. Hier kamen auch die Bedeutung des Glaubens sowie eigener Werte und Ziele für die Arbeit in der Gemeinde zur Sprache. Die Diskrepanz zwischen leidvollem Leben und der christlichen Verheißung einer hoffnungsvollen Zukunft gelte es auszuhalten, hieß es in der Gruppe. Angesichts von Arbeitsüberlastung kirchlich Mitarbeitender sowie fehlender Zeit und Finanzen für Wesentliches wurde die Bedeutung von Gemeinschaft in der Kirche und das Dasein für den Mitmenschen hervorgehoben. „Gottes Wort ist unser Anker“, so der Krofdorfer Presbyter Prof. Thilo Marauhn zu dem, was Menschen in der Kirche hält.
Zudem beschloss die Synode, den „Fachausschuss für öffentliche Verantwortung“ wieder wie vor der Vereinigung der Kirchenkreise „Sozialethischer Ausschuss“ zu nennen. Das Gremium verantwortet unter anderem die „Wetzlarer Gespräche“.
Der Ort der Kirche sei mitten in der Welt, sagte Pfarrer Jochen Weiß (Ulm) im Rahmen seiner Andacht zu Beginn der Synode. In seiner Auslegung von Psalm 33, Vers 6 und Apostelgeschichte 17, Vers 25 beschrieb Weiß, wie der Apostel Paulus in Athen auf die Menschen zuging: mit der Bereitschaft, sie in ihrer Eigenheit wahrzunehmen, offen für Gespräche, tolerant, aber auch eindeutig: „Es wäre fatal, von dem zu schweigen, was unser Trost im Leben und im Sterben ist, die Botschaft vom Auferstandenen“, so der Theologe.
Die Synode schloss mit dem Choral „Verleih uns Frieden gnädiglich“.
Die Andacht von Pfarrer Jochen Weiß ist auf der kreiskirchlichen Homepage als Video aufrufbar: www.evangelisch.an.lahn-und-dill.de
Foto: Barnikol-Lübeck
Bild: Im großen Sitzungssaal des Kirchenamtes in Wetzlar saßen bei der Synode Superintendent Dr. Hartmut Sitzler (l.) und Skriba Marcus Brenzinger (r.).