Vor 80 Jahren starb Pfarrer Paul Schneider im KZ Buchenwald
Dieser Bibelspruch aus der Apostelgeschichte, Kapitel 5, Vers 29, stand über dem Leben von Paul Schneider (1897-1939). Er hat sein Leben geprägt, die Konsequenz, aber auch
die Radikalität seines Denkens und Handelns. Der Mann, der von 1926 bis 1934 Pfarrer in Hochelheim und Dornholzhausen war, hat am 18. Juli seinen 80. Todestag. Im KZ Buchenwald wurde Paul Schneider von den Nationalsozialisten ermordet. Dorthin war er im November 1937 aus dem Rheinland überstellt worden. Ursprünglich hatte man vor, ihn wieder zu entlassen. Doch seine dafür nötige Zustimmung zur Ausweisung als Pfarrer aus dem Rheinland hat er strikt abgelehnt. Nach fast zwei Jahren Haft unter härtesten Bedingungen schließlich wurde Schneider mit einer Überdosis des Herzmittels Strophantin von der SS ermordet. Da war er knapp 42 Jahre alt.
„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen‟ hieß es für ihn, als er aus dem Fenster seiner Einzelzelle mit laut gerufenen Bibelworten des Trostes und der Hoffnung seine Mithäftlinge auf dem Appellplatz ermutigte. Und auch, als er die an andere Häftlingen und ihm u.a. von dem für seinen Sadismus bekannten Martin Sommer vorgenommenen Misshandlungen anprangerte.
Oder als er sich 1938 an Hitlers Geburtstag beim Fahnenappell weigerte, die Mütze abzunehmen und die Hakenkreuzflagge al „Verbrechersymbol“ bezeichnete. Den „Prediger von Buchenwald‟ hat man ihn genannt. Seine Frau Margarete (1904-2002) hat nach seinem Tod unter diesem Titel ein Buch über sein Leben herausgegeben. In den Briefen aus dem Gefängnis schreibt er seiner Frau bis sechs Wochen vor seinem Tod immer wieder „Ich kann dir mitteilen, dass ich noch gesund und munter bin‟. Kennzeichnend für Paul Schneiders Unnachgiebigkeit und Härte gegen sich selbst ist auch das, was Mithäftling Karl Trzmiel später über ihn erzählte: „In dem Bunker, in dem sich die Dunkelarrestzellen befanden, lernte ich den Pfarrer Schneider kennen, der neben mir in der Zelle lag. Jeden Morgen hielt er für uns Häftlinge eine Morgenandacht, wofür er stets Schläge und Misshandlungen durch die Scharführer Sommer und Pleißner einstecken musste.‟ Paul Schneider wurde am 29. August 1897 in Pferdsfeld im Hunsrück geboren. Die Familie zog 1910 nach Hochelheim, wo sein Vater die Pfarrstelle übernahm. Sohn Paul besuchte das Landgraf-Ludwig-Gymnasium in Gießen und absolvierte dort das Notabitur. Er beteiligte sich am Ersten Weltkrieg, wurde mit dem Eisernen Kreuz Zweiter Klasse ausgezeichnet und studierte nach dem Krieg Theologie in Gießen, Marburg und Tübingen. Nach einer kurzzeitigen Tätigkeit bei der Stadtmission in Berlin und der Zeit als Hilfsprediger in Essen übernahm er als Nachfolger seines Vaters 1926 die Pfarrstelle in Hochelheim und Dornholzhausen. In dieses Jahr fiel auch seine Hochzeit mit Margarete, geb. Dieterich (1904-2002). Beide bekamen gemeinsam sechs Kinder.
Zahlreiche Gemeindeglieder beschrieben ihn in der persönlichen Zuwendung und Seelsorge als sehr warmherzig. Die großzügige Gastfreundschaft im Pfarrhaus nahmen viele dankbar an.
Hatte er noch anfänglich die politische Entwicklung des Nationalsozialismus begrüßt, Hitler Vertrauen geschenkt und war kurzzeitig den „Deutschen Christen‟ beigetreten, so kam es ab 1933, als er Pfarrer in Hochelheim war, zur Wende: Paul Schneider wurde Mitglied der „Bekennenden Kirche“ und wandte sich beispielsweise gegen das Glockenläuten für politische Zwecke, den „deutschen Gruß‟ und den „Arierparagraphen‟.
Hatte er noch anfänglich die politische Entwicklung des Nationalsozialismus begrüßt, Hitler Vertrauen geschenkt und war kurzzeitig den „Deutschen Christen‟ beigetreten, so kam es ab 1933, als er Pfarrer in Hochelheim war, zur Wende: Paul Schneider wurde Mitglied der „Bekennenden Kirche“ und wandte sich beispielsweise gegen das Glockenläuten für politische Zwecke, den „deutschen Gruß‟ und den „Arierparagraphen‟.
Auch seine entschiedene Haltung zu Sittlichkeit und Moral in Hochelheim führte dazu, dass er 1934 auf Betreiben der Nationalsozialisten und der deutsch-christlich geprägten Kirchenbehörde als Pfarrer nach Dickenschied und Womrath im Hunsrück versetzt wurde. In Hochelheim hatte Schneider die sogenannte „Trauzucht‟ praktiziert, wie sie schon bei seinem Vater üblich war. So wurden Brautpaare, die ein Kind erwarteten, ohne Brautschmuck und Feierlichkeiten in der Studierstube getraut. Damit geriet Schneider in Konflikt mit dem Nationalsozialismus, der sich mit Veröffentlichungen von Joseph Goebbels und Ernst Röhm zu dieser Zeit scharf gegen die traditionelle Sexualmoral wandte. Schneider protestierte öffentlich gegen diese Verlautbarungen und wurde angezeigt. Zudem hat Schneider kirchenzuchtliche Maßnahmen wie den zumindest befristeten Ausschluss vom Abendmahl befürwortet. Bei den Jugendlichen vermisste er die innere Beteiligung, wenn sie zum Abendmahl gingen. Er rief zu einer Bekenntnisfeier mit anschließendem freiwilligen Abendmahl auf. Hier geriet er auch in Konflikt mit seinem Presbyterium, von dem kein entsprechender Beschluss vorlag. So kam es zur Versetzung in die Hunsrück-Gemeinden.
Bemerkenswert war in dieser Zeit die Einstellung der Frauenhilfen, die in Hochelheim und Dornholzhausen zu Paul Schneiders Amtszeit entstanden waren. Sie hielten sich zur Bekennenden Kirche, kümmerten sich um die Armenpflege und um die neu eingerichtete Schwesternstation. „Nach unserem Weggang durften wir ihre Treue erleben‟, schreibt Margarete Schneider in „Der Prediger von Buchenwald“ dankbar. „Wir wurden mit Omnibussen besucht, durften Gegenbesuch mit unseren Hunsrückern machen. Am Grab meines Mannes standen diese treuen Frauen, und noch heute reißt die Verbundenheit nicht ab.‟
Auch in Dickenschied kam Paul Schneider nicht zur Ruhe. Bereits nach vier Wochen protestierte er während der kirchlichen Trauerfeier für einen Hitlerjungen, die er hielt, energisch gegen die Worte des NS-Kreisleiters, der Verstorbene möge „in den himmlischen Sturm Horst Wessels einziehen.‟ In den nächsten Jahren folgten mehrere Verhaftungen bevor er letztendlich ins KZ Buchenwald deportiert wurde.
An der Trauerfeier auf dem Friedhof in Dickenschied nahmen auch etwa 200 Amtskollegen aus der Bekennenden Kirche teil. Die Wirkungsgeschichte Paul Schneiders ist vielfältig und zeigt, wie ein Mensch mit seinem Leben auch für unterschiedliche Interessen vereinnahmt werden kann: Als treuen Christuszeugen sieht ihn Margarete Schneider, als antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR-Pfarrer und Mitglied der „Bekennenden Kirche‟ Walter Feurich (1922-1981), als Wegbereiter für den „Konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung“ des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) von 1983 die Theologin Margot Käßmann und als Pietisten mit engem Weltbild der evangelische Religionspädagoge Prof. Folkert Rickers (1938-2011). Als „Neuen Märtyrer‟ verehrt die katholische Kirche Paul
Schneider. Papst Franziskus hat sich für die Einrichtung einer Gedenkstätte in einer
Basilika in Rom eingesetzt, in der auch Paul Schneider abgebildet ist.