Jugendarbeit im Fokus
Delegierte aus dem Kirchenkreis an Lahn und Dill bei rheinischer Jugend- und Landessynode
Wetzlar/Bad Neuenahr (bkl). Gleich zwei Premieren haben vier evangelische Mittelhessen zu Beginn des neuen Jahres im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr erlebt: die erste Jugendsynode der rheinischen Kirche, an der Manuela Lowies aus Hohenahr-Altenkirchen teilnahm und die Präsenz als Delegation des neuen Kirchenkreises an Lahn und Dill mit Pfarrer Roland Rust (Kölschhausen) als leitendem Theologen, Pfarrerin Alexandra Hans (Wißmar), Rolf Bastian (Dutenhofen) und Manuela Lowies als Abgeordnete zur regulären Landessynode. Statt bisher acht aus den ehemaligen Kirchenkreisen Braunfels und Wetzlar gibt es aufgrund der Vereinigung jetzt nur noch vier Delegierte zu dem Kirchenparlament auf Landesebene.
Dass die Wahrscheinlichkeit, im Lauf eines Lebens evangelisch zu sein, in der Gruppe der 14- bis 25-Jährigen am höchsten ist, hat Lowies auf der Jugendsynode gehört und war beeindruckt: „Das bringt auf den Punkt, warum die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen so wichtig ist.“ Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Kinder- und Familienarmut, neue Gemeindeformen, verlässliche Ressourcen in der Kinder- und Jugendarbeit und eine stärkere Teilhabe junger Menschen an der Leitung von Kirche standen im Mittelpunkt der Beschlussfassungen, die auf der Landessynode im Anschluss weiterbehandelt und bestätigt wurden. So sollen beispielsweise 5 von insgesamt 37 Kirchenkreisen in Zusammenarbeit mit der Kirchenleitung neue Modelle zur Teilhabe junger Menschen entwickeln. „Ich wünsche mir, dass unser Kirchenkreis einer von den fünf sein wird, die ein solches Modell entwickeln und umsetzen“, so Manuela Lowies.
Dass die Landessynode Partizipation der jungen Generation und Kinder- und Jugendarmut zu Schwerpunktthemen erklärt hat, begrüßt auch Rolf Bastian: „Die Landessynode ist sich bewusst, welche Bedeutung der jungen Generation im Hinblick auf die Gestaltung kirchlichen Lebens, der Zukunft und der gesellschaftlichen Relevanz von Kirche sowie milieuspezifischer Förderung und Begleitung zukommt.“
Aber auch die Etablierung neuer Gemeindeformen griff die Jugendsynode bereits im Vorfeld der Landessynode auf. Diese beschloss, für ergänzende Formen des Kircheseins zu den Angeboten der Ortsgemeinden in den nächsten zehn Jahren sechs Millionen Euro und fünf neue Pfarrstellen zur Verfügung zu stellen.
Darüber hinaus schloss sich die Landessynode dem Bündnis Seebrücke an, einer Bewegung, die sich für sichere Fluchtwege einsetzt, für die Entkriminalisierung der Seenotrettung und die menschenwürdige Aufnahme Geflüchteter.
Ebenfalls Thema auf der Synode war eine Gedenkfeier mit Versöhnungsritual für zwei südafrikanische Partnerkirchen, die aus der Missionsarbeit der Rheinischen Missionsgesellschaft hervorgegangen sind und deren Nachfolgerin jetzt die Vereinte Evangelische Mission (VEM) ist. Nach Jahrzehnten ohne Kontakt gehören die Rhenish Church in South Africa (RCSA) und die Uniting Reformed Church in Southern Africa (URCSA) seit September zur VEM.
Neben der Pfarrbesoldung und dem Haushalt 2019 nahm die Landessynode zudem die Kirchensteuerverteilung in den Blick. Hier wurde eine moderate Anpassung für die nächsten Jahre beschlossen, wobei das Prinzip des Finanzausgleichs (finanzstärkere Kirchenkreise geben ab, finanzschwächere erhalten Zuweisungen) bestehen bleibt. Von der neuen Regelung profitieren vielfach die ländlichen Kirchenkreise wie auch der Kirchenkreis an Lahn und Dill.
„In großer Unterschiedlichkeit verhandeln wir die gestellten Themen, klar und deutlich, manchmal kontrovers wie die Kirchensteuerverteilung oder das Kirchenmusikgesetz– aber in Respekt voreinander und beständig um Kompromisslinien bemüht. Das beeindruckt mich an dieser Landessynode“, so der Standpunkt von Roland Rust zur Atmosphäre bei den Beratungen und Abstimmungen.
Die Änderung des Visitationsgesetzes konnte Pfarrerin Alexandra Hans mitberaten. Bei einer Visitation geht es um den „Besuch“ einer Kirchengemeinde durch den Kreissynodalvorstand. Die Gemeinde stellt dabei ihre Arbeit vor. „Die Änderung bedeutet für uns weniger Kontrolle und mehr Hilfestellung und Erleichterung der Arbeit sowohl für die Kirchengemeinden als auch für das kirchenkreisleitende Gremium“, so die Theologin, die selbst in diesem Gremium Mitglied ist. Ein neuer Akzent werde schon durch die veränderte Formulierung „regelmäßige Begleitung kirchlicher Körperschaften“ und den Blick auf die „Perspektiven der gemeindlichen Arbeit“ gesetzt.
Von einer Parteilichkeit der Kirche für die Armen, gerade auch angesichts wachsender Kinder- und Familienarmut, und für die Bewahrung der Schöpfung sprach Präses Manfred Rekowski in seinem Jahresbericht. Das Auseinanderdriften der sozialen Milieus bereite der Kirche große Sorge. Und angesichts eines nicht invasiven (nicht in den Körper eingreifenden) vorgeburtlichen Tests auf Down-Syndrom als Regelleistung der Krankenkasse forderte er: „Wir müssen die Zielvorstellung einer inklusiven Gesellschaft auch bei genetischen Erkrankungen aufrechterhalten.“ Im Blick auf sinkende Gottesdienstbesuche zeigte sich der Theologe dankbar für Initiativen in den Gemeinden, die neue Formen christlicher Spiritualität ausprobieren. Für eine möglichst gute Qualität der Gottesdienste sei zu sorgen, „damit Gott und den Menschen Raum zur Begegnung eröffnet werde.“
Weitere Informationen zur Landessynode sind unter www.ekir.de/landessynode zu finden.
Hintergrund „Landessynode“
Die in der Regel Anfang Januar und damit als erste aller EKD-Gliedkirchen jährlich tagende Landessynode ist das oberste Leitungsgremium der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR). Sie entscheidet über die wichtigsten Belange der Landeskirche. Von den über 2,5 Millionen Mitgliedern der rheinischen Kirche, die zwischen Niederrhein und Saar in 37 Kirchenkreisen mit 687 Kirchengemeinden organisiert sind, gehören rund 74.400 zu Hessen. Im zum 1. Januar 2019 gebildeten Kirchenkreis an Lahn und Dill (ehemalige Kirchenkreise Braunfels und Wetzlar) gibt es insgesamt 50 Kirchengemeinden. Oberster Repräsentant der EKiR als der zweitgrößten evangelischen Landeskirche in Deutschland ist seit 2013 Präses Manfred Rekowski. Er steht gleichzeitig der Kirchenleitung vor, die in der Zeit, in der die Landessynode nicht tagt, die Geschäfte führt.
Text & Fotos: Barnikol-Lübeck