PFARRER MIT COURAGE

Friedrich Winter protestiert öffentlich gegen Pogrome:

„Ist es nicht furchtbar, an Gotteshäuser Hand anzulegen? Als Christen muss es uns tief schmerzen, dass unser Volk so weit heruntergekommen ist.“ So hat es Pfarrer Friedrich Winter am Buß- und Bettag 1938 in der Evangelischen Kirche Kölschhausen in seiner Predigt über das alttestamentliche Buch Daniel, Kapitel 9, deutlich formuliert. Er nahm damit nur eine Woche später im Gottesdienst Bezug auf die Pogrome am 9. November 1938, bei denen jüdische Geschäfte und Synagogen durch organisierte Schlägertrupps in Brand gesetzt und tausende Menschen jüdischen Glaubens misshandelt, verhaftet oder getötet wurden. „Die Mächte der Finsternis herrschen, weil unser Volk von Gott abgefallen ist“, sagte er weiter. „Wir bekennen, dass wir, die Gemeinde, daran mitschuldig geworden sind durch unseren eigenen Unglauben…Sind wir nicht mitschuldig durch unser Schweigen?“

Friedrich Winter, von 1930 bis 1939 Pfarrer in Kölschhausen, hat sein couragiertes Eintreten für die Menschen jüdischen Glaubens nur wenige Monate später mit seiner Ausweisung aus dem Regierungsbezirk Wiesbaden und damit aus dem Gebiet seiner Kirchengemeinde durch die Gestapo bezahlt.

Der Theologe hatte sich in der Hoffnung auf eine wirkliche Erneuerung der Kirche zunächst den nationalsozialistisch eingestellten „Deutschen Christen“ angeschlossen und war sogar der NSDAP beigetreten. Seine Kritik, auch auf Parteiversammlungen, führte 1936 zum Ausschluss aus der NSDAP. Winter hatte sich bereits vorher gemeinsam mit seiner Gemeinde der Oppositionsbewegung der „Bekennenden Kirche“ angeschlossen, die sich der Gleichschaltung von Lehre und Organisation der evangelischen Kirchen mit dem Nationalsozialismus widersetzte. Er war zudem Mitglied des vom Staat verbotenen theologischen Prüfungsausschusses der Bekennenden Kirche. Seine Frau konnte die Prüfungsarbeiten und andere Dokumente vor der Gestapo verstecken, indem sie beispielsweise ein Schriftstück der Bekennenden Kirche unter der Schreibmaschine verbarg. Beide hatten zu dieser Zeit drei kleine Kinder.

Heinrich Kampen, der im Herbst 1938 Vikar bei Friedrich Winter wurde und nach dessen Ausweisung die gesamte Gemeindearbeit übernahm, sagte über den Theologen: „Als ich ihn kennenlernte, war er gründlich kuriert und wollte mit der NS-Bewegung nichts mehr zu tun haben. Aber das ermutigte ihn noch mehr, gegen den Synagogenbrand zu protestieren. Bei uns im Dorf war alles ruhig, aber Pfarrer Winter war nicht mehr zu bremsen. Er arbeitete an seiner Predigt, und ich kann nur bezeugen, dass er sie geradezu mit Herzblut geschrieben und sich dann auf der Kanzel Luft verschafft hat. Es musste aus ihm heraus.“ Bedenken wie die Sorge um das weitere Bekanntwerden der Predigt und die Familie seien beiseite geschoben worden.

Doch schon kurze Zeit später musste Friedrich Winter zum Wetzlarer Amtsgericht und kam in Untersuchungshaft. Seine Gemeinde stand hinter ihm. Presbyter und Vikar Kampen setzten sich beim Landrat für ihren Pfarrer ein, was einen Rauswurf durch den Landrat zur Folge hatte. Winter wurde erst nach vier Wochen mit der Auflage von Hausarrest und Redeverbot entlassen. Daraufhin startete die Kirchengemeinde eine Unterschriftenaktion zu seinen Gunsten, an der sich 88 Prozent der Familien beteiligten. Wenige Tage später kam es zur Ausweisung Winters durch die Gestapo Frankfurt. Der couragierte Pfarrer verließ Kölschhausen als die Glocken zum Gottesdienst einluden und kehrte nicht mehr zurück. In der Folgezeit versah er Aushilfsdienste als Pfarrer in Ostpreußen, wurde für zwei Jahre Soldat und war zum Schluss Pfarrer in Württemberg, in den Orten Knittlingen und Ottenhausen. Friedrich Winter wurde nur 46 Jahre alt. Noch vom Krankenbett aus unterrichtete er seine Konfirmanden.

Seit genau 20 Jahren trägt das Evangelische Gemeindehaus Kölschhausen den Namen von Friedrich Winter. Auch die Straße, in der Gemeindehaus, Pfarrhaus und Kirche stehen, ist nach dem Pfarrer, der seinen Glauben so mutig lebte, benannt.

Quellen
Text: Barnikol-Lübeck, Evangelischer Kirchenkreis an Lahn und Dill
Beitragsbild: Rolf Bastian
Bild: privat, Repro Barnikol-Lübeck