Liebe Gemeinde,
ein neues Jahr und Jahrzehnt hat begonnen und so wie es aussieht, wird das nicht besser werden als das alte. Jedenfalls nicht in der Weltpolitik. Bei uns zuhause mag das durchaus anders aussehen. Persönlich fürchtet sich kaum einer vor dem neuen Jahr, die meisten sind zufrieden und erwarten, dass alles genauso gut weitergeht wie zuvor. Warum sollte sich mit einem neuen Jahr auch irgendetwas ändern? Das Datum ändert nichts an meinen Befindlichkeiten und wenn ich gute Vorsätze habe für das neue Jahr, werde ich diese umsetzen, wenn ich es wirklich ernst meine oder sie nach einiger Zeit vergessen.
Was sich aber jedes Jahr ändert, das ist die Jahreslosung.
Die Jahreslosung folgt zwar der Praxis der Herrnhuter Losungen, geht aber zurück auf den Kirchenkampf im Dritten Reich. Initiator war der württembergische Pfarrer und Liederdichter Otto Riethmüller (1889-1939), der Mitglied der Bekennenden Kirche war. Er wollte den NS-Schlagworten Bibelverse entgegenstellen. Deshalb begründete er 1930 die Tradition der Jahreslosungen. Die erste Jahreslosung 1930 war „Ich schäme mich des Evangeliums von Jesus Christus nicht“ (Römer 1,16).
Dieses Jahr geht es, wie Sie sicher schon gesehen und gehört haben, um ein Wort aus Markus 9,24: Ich glaube – hilf meinem Unglauben!
Hier spricht ein Vater in tiefster Verzweiflung. Sein Sohn hat Epilepsie und niemand kann ihm helfen. Damals glaubte man, Menschen seien besessen, wenn sie in Krämpfen zuckend auf den Boden fallen mit Schaum vor dem Mund. Ein beängstigender Anblick, auch heute noch. Doch wie fängt diese Geschichte an?
Der Vater bringt seinen kranken Sohn zu Jesus und erzählt ihm seine Krankheitsgeschichte. Daraufhin bekommt dieser direkt vor Jesus einen Anfall. Der
Vater bittet: Wenn du kannst, dann hilf ihm.
Jesus antwortet: Du sagst: wenn du kannst. Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.
Da fleht der Vater: Ich glaube; hilf meinem Unglauben. Wie sehr kann ich das verstehen, diese Zerrissenheit des Vaters! Diese Verzweiflung und Hoffnung zugleich. Ist dieser Mann wirklich der Richtige? Kann er meine Probleme lösen? Kann er mein Leben heil machen, meinen Sohn heilen?
Viele haben in unserer Gemeinde im letzten Jahr gebetet, dass Gott/ Jesus Christus ihre Angehörigen wieder gesund macht, sie heilt an Leib und Seele. Doch viele sind dennoch gestorben. Haben sie nicht genug gebetet? Haben sie nicht genug geglaubt? Der Vater in dieser Geschichte hat doch auch gezweifelt und dennoch hat Jesus ihm geholfen. Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt? Da kommen mir wiederum Zweifel.
Ich glaube: Ja, Gott heilt. Er heilt aber heutzutage nicht wie Jesus körperliche Gebrechen und Krankheiten. Er heilt unser Leben. Wenn wir an ihn glauben und sei dieser Glaube auch noch so klein und bruchstückhaft. Glaube kann wachsen. Ich bin überzeugt: auch der Zweifelglaube des Vaters in der Geschichte ist gewachsen nach seinem Erlebnis mit Jesus. Und der Glaube des geheilten Sohnes. Und der Glaube der Zuschauer. Und der Glaube der Jünger Jesu.
Doch wir sehen heutzutage keine Wunderheilungen mehr, um unseren Glauben zu vermehren und wachsen zu lassen. Wir können das nur im Gebet tun, im Gespräch mit Jesus Christus. Dann kann auch unser Glaube wachsen und unsere Zweifel verblassen.
Denn Gott will auch unser Leben heil machen. Das bedeutet nicht, dass er all unsere Krankheiten heilt und uns ewiges Glück schenkt. Das bedeutet, dass er unsere Seele hell macht durch seine Vergebung und seine Liebe, dass unser Gewissen uns nicht mehr
belastet und wir frei werden von den Verkrümmungen unserer Schuld und unseren Weg mit IHM gehen können. Das bedeutet, dass wir seine Nähe und Hilfe in all unseren Nöten und Sorgen erfahren. Dass er bei uns ist auch in unseren tiefsten Zweifeln und unserem persönlichen Unglauben.
Lasst uns auch im Jahr 2020 glauben und zweifeln und uns von Gottes Güte heilen lassen!
Ihre Pastorin
Dagmar Krauth-Zirk