Angedacht

Aufmerksam bleiben!

„Ich kann es nicht mehr hören!“ – „Lass mich damit in Ruhe!“, nicht immer ist das ein egoistisches Anliegen. Oft genug ist es die Folge von Erschöpfung. Oder von Überforderung. Oder sogar von Angst. So genau wollen wir es gar nicht wissen… Jesus hat einige seiner Freunde mitgenommen, abseits im hinteren Winkel des Gartens Getsemane. Es wird die Nacht seiner Verhaftung sein. Er befindet sich in Not! Man sollte annehmen, seine Freunde ahnen es, worauf es ankommt: aufmerksam dabei zu bleiben, mit ihm die schwersten Stunden durchzustehen. Aber er reißt sich von ihnen noch ein Stück los und betet in einiger Entfernung. Sie bekommen nicht alles mit. Will er allein sein oder doch nicht? Haben sie den Ernst der Stunde noch nicht erkannt? Oder sagen sie sich:“ In so einem Moment Jesu mit seinem Himmlischen Vater mischen wir uns nicht ein“? Er hat sich ja öfters zurückgezogen, sogar allein auf einen Berg. Aber möchte er sie eben doch in seiner Nähe wissen? Sie schlafen ein. Erschöpft, nicht bereit, da zu sein. Wir leben in Zeiten, in denen unsere Aufmerksamkeit ebenso herausgefordert wie erschöpft ist. Man erfährt auch Dinge nicht, die man bisher immer gerne gewusst hätte. Oder hätte wissen müssen. Man verliert Menschenaus dem Auge, aus dem Sinn. Man trifft keine Personen mehr, denen man sonst begegnet wäre und einfachmal anhält, um sie nachzuhören oder zu ermutigen. Ja, viele bleiben in ihren Gebeten allein, ohne die Bestärkung durch andere in der Gemeinde. Schläft dann auch unser Bezug zum Herrn ein? Dreimal muss Jesus seine Freunde wecken, dann ist es zu spät, und der „aufgeweckte“ Petrus wird mit dem Schwert um sich schlagen. Eine Reaktion, die sich Jesus ganz und gar nichtgewünscht hat. Die Geschichte hat immer wieder Unverständnis hervorgerufen: wie kann der Sohn Gottes so zaghaft sein, so ringen müssen? Haben wir wirklich schon begriffen, wie sehr er Gott, dem Vater, vertraut, selbst in der schwersten Stunde, in der er selber ringt. Inder er sich in den Willen Gottes fügt, und so ganz zu Gott gehört. Nicht über den Dingen steht er, sondern mitten in der Not, die noch im Verrat gipfeln wird. Das – so möchte er es – sollen seine Freunde mitbekommen und nichtverschlafe. Sie erfahren dabei nicht alle Hintergründe und Beweggründe zwischen Jesus und dem Vater. Sind wir aufmerksam, wenn wir noch nicht alles wissen? Wenn wir in der Not müde geworden sind? „Könnt ihr nicht eine Stunde mit mir wachen??“ Das ist nicht der Seufzer eines Lehrers, der seine Schüler in dem Moment jedenfalls nicht vom Hockergerissen hat. Jesu Freunde konnten nicht erfassen, worum es ging, sie hatten ja nicht alles gehört und verstanden. Und dennoch erwartet Jesus von ihnen, wach zu bleiben. Mag sein, Sie haben auch schon einmal am Krankenbett oder Sterbebetteines Menschen gesessen und sich gezwungen, wach zu bleiben. Ohne zu wissen, wann Ihre volle Aufmerksamkeit gefordert sein würde. Im Kampfgegen bleierne Müdigkeit. Und es war Ihnen doch so wichtig, dabei zu sein. Oder jemand brauchte Ihre Hilfe und Sie waren „zufällig“ noch wach und soforterreichbar. Danach waren Sie froh, dass es so war. Auch wenn Sie vorher kaum verstanden hatten, wozu und wie es möglich war, wach zu bleiben. Wenn sie jedes Gebetsanliegen schonmehrfach vor Gott gebracht hatten. Jesus zeigt uns seine Aufmerksamkeit, wie wach er für uns ist, um unser Anliegen vor Gott zu bringen. Aber eben nicht an uns vorbei. „Der Herr gibt’s den Seinen im Schlaf“ – dieser Psalmvers soll keine Ausrede werden für Müdigkeit im Vertrauen. Hellwach bleibt dieses Vertrauen, wenn es darauf ankommt! Wenn wir es hoffentlich ganz genau wissen wollen. Aufmerksam bleibt, wer zum Vaterbetet: Dein Wille geschehe! Denn wenn es so weit ist, sollen wir nach seinem Willen dabei sein: wenn wir einander beistehen, und auch wenn er uns aufweckt zu ewigem Leben.

Eine gesegnete Passions- und Osterzeitwünscht Ihnen

Ihr Pfarrer

J. Schlingensiepen